COVID-19 Impfung für Tumorpatienten?

Zusammenfassung für den BNGO-Vorstand von Dr. med. Steffen Wagner, Saarbrücken

Eine täglich gestellte Frage in unseren BNGO-Praxen lautet: „Soll ich mich gegen Covid-19 impfen lassen, obwohl ich an Krebs erkrankt bin oder war?“ Es bestehen viele Unsicherheiten bezüglich Nutzen und Risiken einer Impfung bei unseren onkologischen Patientinnen.

Die DGHO (Dt. Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie) und die deutschsprachigen onkologischen Fachgesellschaften haben umfassende Empfehlungen zur Risikoabschätzung und Impfung onkologischer Patienten publiziert (siehe unten), die im Folgenden kurz zusammengefasst werden.

Sind Tumorpatienten bei einer Covid-19 Erkrankung besonders gefährdet?

Hospitalisierte Krebspatienten zeigen in mehreren internationalen Studien eine um etwa ein Drittel signifikant höhere Mortalität im Vergleich zu Patienten ohne Tumorerkrankung (GB: 40, vs.28,5%, D: 22,5 vs. 14%).

Krebskranke Menschen gehören somit zweifellos zur Risikogruppe, jedoch kann im klinischen Alltag aus den bisherigen Daten eine Stratifizierung vorgenommen werden:

Ein besonderes Risiko weisen generell Patienten mit malignen hämatologische Erkrankungen wie Leukämien, Lymphome und Multiples Myelom auf. Weiterhin Patienten mit nicht in Remission befindlichen fortgeschrittene soliden Tumoren (v.a. Lungenkarzinome) oder mit einer Remissionsdauer unter 5 Jahre und Patienten unter laufender systemischer Therapie (ausgenommen rein antihormonelle Therapien).

Besondere Risikofaktoren bei Tumorpatienten sind zudem: Alter, männliches Geschlecht, Rauchen, Anzahl von Komorbiditäten, aktive Krebserkrankung und eine aktive systemische Therapie in den Wochen vor der COVID-19-Erkrankung.

Bezüglich des Therapiemanagements während der COVID-19-Epidemie gilt generell: In den meisten Fällen ist die effektive Behandlung der Krebserkrankung für das Überleben der Patienten wichtiger als übertriebene Vorsichtsmaßnahmen im Sinne unnötiger Unterbrechungen oder Verschiebungen.

Langzeitüberlebende Patienten (> 5 Jahre) scheinen kein besonderes erkrankungsspezifisches Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf aufzuweisen.

In der gynäkologischen Onkologie sind somit vor allem Situationen mit einem erhöhten Risiko assoziiert: Laufende antineoplastische Therapie, metastasierte Erkrankung. Kein erhöhtes Risiko besteht wahrscheinlich bei rein antihormoneller Therapie (ohne CDK4/6) und guter Remission sowie bei adjuvanter antihormoneller Therapie.

Sollen Tumorpatienten eine COVID-19 Impfung erhalten?

Obwohl genaue Daten zu einem ausreichenden Impfschutz und möglicher deletärer Effekte fehlen, wird angesichts der erhöhten COVID-19-assozierten Sterblichkeit eine Schutzimpfung bei onkologischen Patienten generell empfohlen, wobei zur individuellen Entscheidung die oben genannten Risikogruppen herangezogen werden können.

Der Schutz einer COVID-19-Impfung kann bei immunsupprimierten Patienten geringer sein, wie Daten bei Influenzaimpfungen zeigen. Dies sollte nach der aktuellen Auffassung jedoch kein Grund sein, onkologische Patienten auch unter antineoplastischer Behandlung nicht zu impfen. Dies gilt auch für zielgerichtete Therapien und Immuntherapien (z.B. Checkpointinhibition). Eine Cortisongabe (Antiemese/Taxanvorbehandlung) kann theoretisch die Impfantwort verringern, ist aber kein Grund, von einer Impfung abzusehen.

Diskutiert wird aktuell, ob dies auch für Patienten nach B-Zell-Depletion (Rituximab, Ocrelizumab) oder nach hämatopoetischer Stammzelltransplantation gilt. Vermutlich wird aber auch bei diesen Patienten ein gewisser Schutz aufgebaut, da der Schutz durch die COVID-19-Vakzine vor allem T-Zell-vermittelt ist. Dieser Patienten betreffen jedoch unser Fachgebiet nicht.

Es sollte immer intramuskulär geimpft werden, da nur dort ausreichend Immunzellen für eine ausreichende Impfantwort zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für antikoagulierte Patienten, bei denen eine dünnere Nadel verwendet werden kann und entsprechend komprimiert werden kann ggfs. unter kurzzeitiger Anlage eines Stauschlauches.

Trotz des erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos werden onkologische Patienten in der geltenden Coronaimpfverordnung lediglich in die 3. Prioritätsgruppe eingeordnet, sofern sie nicht in die entsprechenden Altersgruppen fallen. Ausnahmen oder eine Höherstufung dieser Patienten sind nicht vorgesehen, auch nicht im Falle von wünschenswerten Impfungen vor, während oder einer zytostatischen Therapie.

Gesundheitspersonal im Bereich der Onkologie mit direktem Patientenkontakt kann bereits im Rahmen der 1. Prioritätsgruppe geimpft werden.

Fazit:

Unseren onkologischen Patientinnen sollte eine COVID-19-Schutzimpfung gerade auch unter antineoplastischer Therapie angeboten werden.

Obwohl noch keine breite Datenbasis dafür existiert, werden eine unzureichende Impfantwort oder schädliche Interaktionen aktuell als unwahrscheinlich erachtet und eine positive Risiko-Nutzen-Relation postuliert.

Quellen:

https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/coronavirus-infektion-covid-19-bei-patienten-mit-blut-und-krebserkrankungen/@@guideline/html/index.html

Webinar „COVID-19 bei Krebspatienten“ am 14.01.202, DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie)